Das Plakat zum Konzert am 05.07.2009 in Wien.
Das Ticket.
Das dritte Konzert von Bruce Springsteen, das zweite in Wien und ich wollte endlich im PIT stehen! Am besten hinten an der Absperrung lehnend, vorne war mir zu stressig, auf der Seite von Big Man und Nils Lofgren – so waren wir schon gegen halb zwei beim Ernst-Happel-Stadion. Beim Eingang entdeckte ich einen abgesperrten Bereich und glaubte zunächst, dass der sogenannte „Roll Call“ futsch war. Dennoch stellten wir uns an und bekamen die Nummern 488 und 489 auf die Handrücken gemalt. Das einzig Sinnvolle daran war, dass ich jedes Mal aus der Absperrung raus und rein konnte, um ein Bier zu holen oder um aufs Klo zu gehen. Der Einlass dagegen verlief chaotisch, da stürmten alle hinein, die eine Stehplatzkarte hatten. (Eine preisliche Unterteilung gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.)
Ansonsten bot der Sonntagnachmittag wettermäßig eine Mischung aus moderatem Sonnenschein, zwischendurch gab es einen erfrischenden Regen und als wir endlich den PIT eroberten, mussten wir noch drei weitere Stunden auf den Boss warten. Aber so wie es bei Bruce Springsteen ist, es lohnte sich.
Seit wenigen Wochen wurden die Konzerte in Europa mit einem Akkordeonsolo von Nils Lofgren eröffnet. Vom Hauptberuf Gitarrist, spielte Lofgren eine die dem jeweiligen Land zugehörige volkstümliche Weise. Da wir nun in Wien waren, war ich mir sicher, dass er einen Walzer musizieren würde.
Während der Ausnahmemusiker „An der schönen blauen Donau“ auf dem Akkordeon zauberte, erschienen die restlichen Mitglieder der E Street Band: Der Chor Cindy Mizelle und Curtis King, Charlie Giordano, Max Weinberg, Garry Tallent, Steve Van Zandt, Soozie Tyrell, Roy Bittan und… Bruce Springsteen.
Clarence Clemons, in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkt, aber immer noch der „Big Man“, wurde mit einem Lift auf die Bühne gefahren, der Boss führte ihn zu seiner Wirkungsstätte und beide gaben sich noch ein herzhaftes Bussi, bevor es losging.
Ich überlegte, mit welchem Lied Springsteen den Abend eröffnen würde und spekulierte auf „Badlands“ oder doch „The Promised Land“ (wäre doch witzig, weil die Konzerte 1999 und 2003 mit diesem Lied begannen). Stattdessen war meine Konzentration gefragt, als Bruce die einleitenden Takte auf der Gitarre spielte und die ersten Zeilen sang. Es wirkte neu auf mich und als ich „Jackson Cage“ erkannte, fühlte ich, dass der Abend etwas Besonderes sein wird. Mit einem nahtlosen Übergang zu „BADLANDS“ zelebrierte der Boss das Lied mit einer arbeitsamen Eindringlichkeit, die auch in „COVER ME“ nicht nachließ. Ganz besonders am Schluss, als er mehrmals „The times are tough, just getting tougher…“ sang.
Aus dem aktuellen Album wurde „My Lucky Day“ gespielt, es wurde im Stadion regelrecht gefeiert, die Stimmung sowohl auf der Bühne als auch im Publikum war sehr ausgelassen. „Outlaw Pete“ bot wieder alle Stücke. Nach dem ersten regulären „Can You Hear Me?“ rief Bruce dem Publikum ein weiteres „CAN YOU HEAR ME?“, was wir mit einem unüberhörbaren „YEAH!“ bestätigten. Meine Augen wurden größer, als Bruce und die Band „Darlington County“ anstimmten – ich wusste, ich konnte den Tag in meinem Kalender tiefstrot anstreichen.
Nach dem Stammtrio „Working On A Dream“, „Seeds“ und „Johnny 99“ erklang die nächste Überraschung, wo ich mich endgültig im „Promised Land“ wähnte – das war so ein „Sori, das hörst du nicht richtig, das kann nicht das Lied sein … oh ja“ – „DARKNESS ON THE EDGE OF TOWN“, wunderschön. Während das instrumentale „Raise Your Hand“ das Publikum aufforderte, ihre Schilderwünsche zu präsentieren, sammelte Bruce die Schilder ein. Als erstes zeigte er „GROWIN’ UP“, mir blieb kurz die Luft weg und ich ließ ein gepresstes „Yeah!“ raus, als Springsteen es tatsächlich spielte. Mit „Rendezvous“ und „Proud Mary“ wurden weitere Wünsche erfüllt, wobei letztere mir gut gefiel, obwohl das Lied im Original von John Fogerty stammt.
Dann war das Lied dran, dessen Schild ich schon beim Sammeln entdeckt und so sehr gehofft hatte, dass er es hier, im Wiener Ernst-Happel-Stadion spielen würde: „4th Of July, Asbury Park (SANDY)“. Roy Bittan kam nach vorne, um das Akkordeon zu bedienen, das ursprünglich der im April 2008 verstorbene Danny Federici spielte. Organist Charlie Giordano wechselte zu Bittans Piano. Das alles und das Lied bewegten mich so sehr, so dass ich nur noch Rotz & Wasser heulen musste.
„Because The Night“ ist live ein Erlebnis, wenn Nils mit seinem Gitarrensolo Bruce an die Wand spielt. „Waitin’ On A Sunny Day“ war einfach Spaß pur und vielen Dank immer wieder für “The Promised Land”. Nun erklang „The River“ und ich glaubte zu hören, dass Springsteens Stimme etwas heiser war oder lag es am Klang im Stadion? Letztere war überwiegend gut, nur war es manchmal zu laut.
Anschließend kam ein Lied, das ich bereits im Soundcheck hörte, als wir vor dem Stadion warteten. Ich war etwas erstaunt, nachdem ich das Lied erkannte und dass er es tatsächlich spielte, war im positiven Sinne zu viel des Guten: „Into The Fire“. Dennoch konnte ich mir den Eindruck nicht verwehren, dass die umstehenden Leute etwas verwirrt waren, warum auch immer. Weiter ging es aus demselben Album mit „Lonesome Day“ und „The Rising“. „Born To Run“ kam leider nicht so herzergreifend herüber wie drei Tage zuvor in München.
Dennoch war ich wieder traurig, dass die Hymne das baldige Ende des Konzertes einläutete und ich musste mich auf „Hard Times“ gefasst machen. Bruce rief mehrmals ein „We can’t stop now“ und er nahm uns mit auf „Cadillac Ranch“.
Kommt dann „Hard Times“? Nein, irgendwo im PIT sitzt ein Mädel auf den Schultern ihres Partners und signalisiert, ihr orangefarbenes Leibchen ausziehen zu wollen. Sie tut es. Ich werde nie vergessen, wie Bruce und Stevie nebeneinander standen, das Schauspiel amüsiert betrachteten und sich gegenseitig zuzwinkerten. Bruce deutete an, dass er das Leibchen haben möchte und dann kam der Höhepunkt des Abends: „JERSEY GIRL“. (Übrigens, Springsteen hat den Klassiker von Tom Waits bisher noch nie in Europa gespielt.)
(Nebenbei, das Jersey Girl sah ich in 2023 wieder.)
Ich war glücklich, von den Zugaben „Tenth Avenue Freeze-Out“ wieder zu hören. Es gab noch „American Land“ und „Bobby Jean“, wobei letztere wunderschön war. Nach „Dancing In The Dark“ spielten der Boss und die E Street Band noch eine letzte Nummer: Ein nie enden-wollendes „Twist and Shout“.
Ich war nachher richtig fertig. Aber glücklich. Und musste am Montag, 6. Juli 2009 wieder in die Arbeit. Ein regulärer Bürotag dort dauerte von 7:30 bis 17 Uhr. Ich hielt irgendwie durch.
Ich habe beim Konzert keine Fotos gemacht, aber das September-Blatt vom offiziellen 2011-Kalender zeigt Springsteen mit dem „Rendezvous“-Request:
Zwei Zeitungsartikel habe ich für Sie:
Nachtkritik im KURIER, 05.07.2009
Ausführlich, euphorischer Artikel im KURER vom 06.07.2009
Außerdem ziert das Cover der „Wrecking Ball“-EP eine Momentaufnahme von diesem Konzert: https://www.discogs.com/de/release/2239480-Bruce-Springsteen-The-E-Street-Band-Wrecking-Ball-Live
Wollen Sie weitere Fotos sehen? https://conny.at/gallery?e=3604